Verkehr

1. Verkehrssituation 2021 in und um Köln-Poll

Der südöstliche Kölner Stadtteil Poll zeichnet sich bisher durch eine innenstadtnahe, aber etwas abseitige Lage an einer Rheinkurve aus. Die andere Rheinseite ist schwer zu erreichen. Autobahnen führen auf mehreren Seiten an Poll vorbei. Zur Straßenerschließung dient eine einzige Hauptstraße, die stark beanspruchte Siegburger Straße. Das Eisenbahn-Netz ist nur umständlich erreichbar, das S-Bahn-Netz führt bisher an Poll vorbei. Statt einer unabhängigen Stadtbahn gibt es nur eine straßengebundene Linie, die im Berufsverkehr regelmäßig im Stau steht. Dazu kommt eine einzige Buslinie zur Querverbindung mit anderen Stadtteilen. Außer im Geschäftszentrum Siegburger Straße gibt es bisher noch keine bewirtschafteten Parkplätze. Die für die Innenstadtnähe eher schlechte ÖPNV-Anbindung führt zu einem ungewöhnlich hohen Anteil an PKW pro Haushalt in Poll.

Download: Statistisches Jahrbuch 2019

Statistisches Jahrbuch 2019 ab Seite 163, insbesondere Seite 179, Karte 405 und Seite 185, Karte 407. Die Karten zeigen, dass Investitionen in die Verkehrswende sich im Raum Poll, Westhoven und Ensen besonders lohnen werden, wenn das Ziel weniger Autoverkehr sein soll.

Poll hat sich durch seine Randlage seinen dörflichen Charakter bewahrt. Einer der letzten Bauernhöfe auf Kölner Boden befindet sich in Poll. In naher Zukunft stehen aber Veränderungen an, die den Charakter Polls zu zerstören drohen.
Es werden zwei große Wohngebiete gebaut. Das Neubaugebiet „Poller Damm“ befindet sich am südöstlichen Rand Polls und beansprucht einige Felder des „letzten Bauerns“. Das geplante riesige Wohn- und Büroquartier „Deutzer Hafen“ befindet sich unmittelbar nordwestlich von Poll, da wo die Poller in die Innenstadt fahren. Erschlossen werden soll alles weiterhin über die enge Siegburger Straße mit der überlasteten Stadtbahnlinie 7. Eine S-Bahn-Querverbindung ist erst für die ferne Zukunft vorgesehen. Am Deutzer Hafen feilt man am Corporate Design der „Mobilitäts-Hubs“ (da gibt es ein paar Car- und BikeSharing-Angebote und bunte Luftpumpen für‘s Fahrrad) und hofft, dass die künftigen Bewohner der Mode folgen und einen „autoarmen Lifestyle“ pflegen. Tiefgaragen sind freilich unter den meisten neuen Häusern vorgesehen. Möglicherweise droht durch den Parkdruck aus dem Neubaugebiet Deutzer Hafen in weiten Teilen Polls die Einführung der Parkplatzbewirtschaftung.

Die Situation wird verschärft durch den jetzt beschlossenen Ausbau der A4 von sechs auf acht oder zehn Spuren („vordringlicher Bedarf“ im Bundesverkehrswegeplan, Projekt „A4plus“). Deren Ausfahrt Köln-Poll befindet sich am südöstlichen Rand von Poll, dort wird die Siegburger Straße mit dem Autobahn-Netz verbunden. Die Bewohner der neuen Wohngebiete werden die enge Siegburger Straße als Zubringer zur Autobahn nutzen.
Das Angebot für den motorisierten Individualverkehr (MIV) wird durch den Autobahn-Ausbau erweitert, ein Ausbau für das Auto ist aber innerhalb von Poll baulich kaum möglich und auch nicht wünschenswert. Die Siegburger Straße ist im Kern von Poll auch Nahversorgungszentrum und wird von vielen Fußgängern gequert.

Der Autobahn-Ausbau ist also eine Maßnahme zugunsten des Autoverkehrs, die den Bewohner*innen Polls nur verkehrliche Nachteile bringt. Die Poller Autobesitzer*innen werden auf der Siegburger Straße öfter im Stau stehen, die Benutzer von Bus und Bahn ebenfalls.
Das gesamte „Lebensmodell“ Polls (innenstadtnah, aber teils ländlich wohnen und sich ein Auto zulegen) wird in Zukunft einfach nicht mehr funktionieren. Köln-Poll wird plötzlich radikal urbanisiert, ohne dass ihre Bewohner darauf vorbereitet oder bereit dazu sind.

2. Radverkehr

Poll liegt zwischen der Innenstadt/Deutz und den im Südosten der Stadt gelegenen Stadtteilen der ehemaligen Stadt Porz, die zu Köln eingemeindet wurden. Es gibt bisher zwei Möglichkeiten, mit dem Rad vom Kölner Zentrum nach Porz zu fahren. Einmal auf der engen Siegburger Straße und einmal am Rhein entlang. Der Weg am Rhein ist durch die Rheinkurve der längste, aber der schönste und beliebteste Weg. Leider sind die Wege dort eng und eine Verbreiterung ist wegen des Landschaftsschutzes nicht wünschenswert. Es gibt oft Konflikte zwischen Fuß- und Radverkehr in Poll.

Eine gute Idee zur Entlastung ist die geplante „RadPendlerRoute“ von Deutz über Poll und Porz nach Troisdorf und Niederkassel. Dieser Weg wäre der kürzeste und weitgehend störungsfrei. Die Distanzen könnten deshalb deutlich schneller zurückgelegt werden. Die Route hätte ein enormes Potential, Pendler zum Umstieg vom Auto auf‘s Rad zu bringen.

Download: Machbarkeitsstudie „Leistungsfähige RadPendlerRouten im Rechtsrheinischen“ (Teil C – Kartenwerk, Seite 7)

Die Route verläuft entlang der Güterzugtrasse und zur Querung der Autobahn A4 ist ein neues Ingenieurbauwerk (wahrscheinlich eine Brücke) nötig. Leider soll dieses Bauwerk erst „im Rahmen der Erweiterung der A4“ erbaut werden. Warum wird nicht erst die RadPendlerRoute gebaut? Hier droht eine jahrzehntelange Verzögerung der „Verkehrswende“ aus Rücksicht auf eine zukünftige Baumaßnahme, deren Start noch ein paar Jahre dauern wird.

3. Erreichbarkeit der anderen Rheinseite

Poll liegt am Rhein, nur wenige Kilometer südlich der Innenstadt, aber die andere Rheinseite ist erstaunlich schlecht zu erreichen. Für den Autoverkehr geht es noch am Besten über Severinsbrücke und Rodenkirchener Brücke.

Für Radfahrende gibt es an der Rodenkirchener Brücke eine kurze, aber zu steile Rampe, die nur wenige Anbindungen an das weitere Radnetz hat. Das „Highlight“ stellt die Südbrücke dar: Fahrräder müssen die Treppe hochgetragen werden! Für schwerere Räder ist es unmöglich, auf die andere Rheinseite zu kommen (Lastenräder und E-Bikes, KVB-Rad ist auch schon schwierig). Betreiber der Südbrücke ist die Deutsche Bahn und es war bis heute nicht möglich, eine flache Rampe zur Brücke durchzusetzen.

Im öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) bietet die Severinsbrücke die südlichste Möglichkeit, den Rhein zu queren. Die Linie 7 fährt allerdings über die noch nördlicher gelegene Deutzer Brücke, sodass die Poller meist große Umwege fahren müssen, wenn sie per ÖPNV Ziele im linksrheinischen Süden erreichen wollen. Überhaupt fehlt für den gesamten Stadtbezirk 7 (Porz) eine Möglichkeit, die südliche linksrheinische Stadt zu erreichen.

4. Verhältnismäßigkeit

Gerade werden in Nordrhein-Westfalen sechs neue Baustellen für die Rheinquerungen der Autobahnen geplant oder ausgeführt:

  • Duisburg-Neuenkamp
  • Düsseldorf-Flehe
  • Leverkusener Brücke
  • Köln-Rodenkirchener Brücke
  • Rheinspange 553
  • Bonner Nordbrücke

Alle Projekte haben Euro-Kosten im dreistelligen Millionen-Bereich.
Demgegenüber steht eine absurd bescheidene Infrastruktur zur Rheinquerung für ÖPNV und Fahrrad. Trotz Feststellung des Klimanotstands und Ausrufung der Verkehrswende wird immer noch zuerst in den motorisierten Individualverkehr investiert.

Köln-Poll ist mit der Situation konfrontiert, dass es einen Autobahn-Ausbau ertragen soll, der „das Dorf“ enorm belasten wird, während die Forderungen nach Verbesserungen für die Verkehrsmittel des Umweltverbunds stets ungehört verhallen.
Es stellt sich die Frage, wo da die Verhältnismäßigkeit bleibt.

5. Alternativen schaffen

In Poll und Umgebung wird ablesbar sein, ob die Bekenntnisse der Politik zu Klimanotstand und Verkehrswende ernsthaft verfolgt werden oder nur Lippenbekenntnisse sind.

Die enormen Belastungen durch die anstehenden Veränderungen sind ohne massive Investitionen in die Infrastruktur des Umweltverbundes nicht zu bewältigen. Andererseits könnten gerade hier große Erfolge erzielt werden, denn genau hier warten noch viele auf einen guten Grund, auf das eigene Auto zu verzichten.

Poll, vielleicht zusammen mit Westhoven und Ensen, könnte zu einer Modellregion werden. Hier sollten in einer konzertierten Aktion in wenigen Jahren neue Bahn- und Buslinien geschaffen werden und neue Radwege gebaut werden. Außerdem könnte das CarSharing besonders gefördert werden und ein besonders dichtes Angebot an Stationen mit den Leihautos eingerichtet werden. Quartiersgaragen könnten mehr Platz für breitere Fuß- und Radwege schaffen.

Verbesserungen im einzelnen könnten sein:

  • eine Stadtbahnlinie zum Deutzer Bahnhof
  • eine Verlängerung der Linie 15 vom Ubierring über eine neue Rheinbrücke zum Deutzer Hafen und weiter nach Poll und Porz
  • eine neue Rheinbrücke an der Schönhauser Straße mit einer neuen Stadtbahnlinie zur Parkstadt Süd, Universität und Innere Kanalstraße
  • eine Nutzung der alten Hafenbahn für den Stadtbahnbetrieb zur Aufnahme der neuen Linien und/oder Umleitung bei Stau auf der Siegburger Straße
  • eine Stadtbahnlinie über die alte Hafenbahn nach Vingst und weiter ins Rechtsrheinische
  • weitere Buslinien zu den Siedlungen „Deutzer Hafen“, „In der Kreuzau“ und „Poller Damm“ und zum Deutzer Bahnhof sowie nach Humboldt, Kalk-West, Vingst
  • die Busse sollten über die Siegburger Straße fahren, die mit einer Pförtnerampel im Berufsverkehr für die Busse (und die Straßenbahn) freigehalten wird
  • Buslinien über die Rodenkirchener Brücke ins linksrheinische Köln
  • ein Radweg auf der Siegburger Straße, der weder mit Auto- noch mit dem Fußverkehr Konflikte schafft
  • sehr flache Rampen für Fußgänger und Fahrräder sollten auf alle bestehenden und künftigen Rheinbrücken hinauf führen
  • eine störungsfreie und durchgehende Weiterführung der Radwege in das übrige Radnetz auf beiden Rheinseiten
  • der sofortige Bau der RadPendlerRoute Deutz-Poll-Porz-Troisdorf

Diese Verbesserungen sind auch für die Forschung interessant. Mit Blick auf die Zahlen (Autos pro Einwohner, ÖPNV-Nutzung) kann hier gezeigt werden, wie massive Investitionen in die Verkehrsmittel des Umweltverbund und eine Verbesserung des Angebots die Verkehrswende vorantreiben können.

In Köln ist es typisch, dass eine Fahrt von einem Stadtteil zu einem anderen mit dem Auto über die Fernstraßen des Autobahnrings absolviert wird, weil die umweltfreundlichen Alternativen fehlen. Dies zu ändern wäre ein echtes Leuchtturmprojekt für Köln.
Und wenn dieser Leuchtturm steht, schauen wir uns nochmal die Verkehrsprognosen für die Rodenkirchener Brücke an…

Autor*in des Beitrags: A.M.

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