Bürgerinterviews

Eine Bauernfamilie in vierter Generation

Ein Bauernhof mitten in der Großstadt. „Das gibt es doch nicht!“, mag der ein oder andere denken. Wir in Poll aber können sagen: „Doch, das gibt es!“

Auf dem Sandberg 66 wird jeden Samstag zum Treffpunkt vieler Poller*innen und Kölner*innen aus der Umgebung. Denn hier bietet die Familie Kleinschmidt saisonales Gemüse und Lebensmittel aus eigener Ernte im kleinen Hofladen feil. Besonders bekannt sind die Poller Kartoffeln, die sogar in den Gastwirtschaften im Veedel verarbeitet werden. Jede zweite Woche gibt es Fleisch- und Wurstwaren aus der hofeigenen Schweinemast, verarbeitet von einem Metzger aus der Region. Mit Eiern von glücklichen Hühnern und Mehl von den Getreidefeldern am Rhein kann ein leckerer Sonntagskuchen gebacken werden. Die Poller lieben ihren Bauern, der sie mit einer üppigen Vielfalt an Ackerfrüchten und vielem Drumherum verwöhnt. Und wie schön ist es, wenn man sich eigens aus den Poller Produkten von „unserem“ Bauern eine ganze Mahlzeit zaubern kann!

Die Familie Kleinschmidt ist eine der letzten rechtsrheinischen Bauernfamilien Kölns. Seit über 100 Jahren existiert der Betrieb nun in vierter Generation. Heinz-Georg und Gudrun Kleinschmidt halten gemeinsam mit Sohn Martin den Betrieb am Laufen. Hündin Lena achtet immer darauf, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

Martin Kleinschmidt ist Landwirt in vierter Generation und verkauft seine Ware wöchentlich auf dem eigenen Hof (Foto: Gudrun Kleinschmidt)

Das Ackerland der Kleinschmidts wird tiefe Narben davontragen

Doch diese Idylle für uns im Veedel aufrecht zu erhalten ist harte Arbeit. Die Schweine und Hühner wollen versorgt werden, die Felder beackert, gedüngt, bewässert und geerntet. Bis zu 15 oder 16 Stunden lang kann so ein Arbeitstag dann schon mal werden. Außerdem müssen unzählige Auflagen der Stadt rund um die Themen Haltung, Dünger und Ernte eingehalten werden. Der Boden des Bauernbetriebes ist sehr begehrt und immer mehr städtische Ackerflächen werden als Bauland ausgewiesen oder gehen als Ausgleichsflächen für eben diese verloren. In Poll zählt dazu bereits das Baugebiet Siegburger Straße/Poller Damm, der Ausbau der A4 würde ebenso dazu führen.

Familie Kleinschmidt aber sind Landwirte mit Leib und Seele und kämpfen für die Aufrechterhaltung ihres Betriebs. Nun ist es der Bund, der dem Familienbetrieb Kopfschmerzen bereitet. Denn der Ausbau der A4 und der Abriss und Neubau der Rodenkirchener Brücke würden für die Landwirte enorme, negative Auswirkungen mit sich bringen. Bereits 1994 wurde das Flurstück entlang des Westhover Wegs stark in Mitleidenschaft gezogen. Von dem sieben Hektar großen Feld wurde für den damals entstehenden Zwillingsbau der Brücke ein Teil des Feldes für Baustellenfahrzeuge und Lagerung bereitgestellt. Die Narben, die dadurch entstanden sind, sind für den Landwirt heute noch spürbar. Die Beackerung des Feldes wird dort nie wieder so ertragreich sein wie an anderer Stelle, da das Bodengefüge durch diese enorme Belastung komplett zerstört wird und zum Beispiel das Wasser nicht mehr richtig abfließen kann. Die Erweiterung der Autobahn auf mindestens acht Spuren wird noch massivere Auswirkungen mit sich bringen – egal, welche Variante ausgewählt wird. Das Feld am Westhover Weg wird es dann vielleicht nicht mehr geben.

Das Feld am Westhover Weg mit Kartoffelblüte und Brotweizen (Foto: Gudrun Kleinschmidt)

Nachhaltigkeit, Regionalität und Saisonalität aus einer Hand

Die Kleinschmidts sind kein zertifizierter Biobetrieb, aber sie betreiben Landwirtschaft in ihrer ursprünglichen Form. Sie sind Direktversorger im Veedel und produzieren nicht nur hochwertige Lebensmittel, sondern leisten durch ihre tägliche Arbeit auch einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und Förderung des Lebensraumes von Menschen, Tieren und Pflanzen. Durch die traditionelle Beackerung der Böden fördern die Kleinschmidts ganz natürlich die Biodiversität. Eine gesunde Fruchtfolge erfordert, dass die Felder jährlich wechselnd genutzt werden und fördert dadurch auch automatisch die Artenvielfalt. Im Bereich Gemüseanbau wird auch viel experimentiert, um den Pollern immer mal wieder unterschiedliche und neue Sorten zu präsentieren.

Familie Kleinschmidt bietet den Poller Bürger*innen das ganze Jahr über eine vielfältige Gemüseauswahl, die an Nachhaltigkeit von keinem Bio-Supermarkt übertroffen werden kann. Der Stallboden für die Tiere ist ausgelegt mit eigens produziertem Stroh und auch beim Düngen achten die Kleinschmidts akribisch darauf, dem Boden wieder das zuzufügen, was ihm entnommen wurde, zum Beispiel Pflanzenrückstände, die bei der Ernte anfallen oder auch viel Humusboden mit Regenwürmern. Chemie ist hier ein Fremdwort. Es stecken viele Gedanken im Feldbetrieb der Kleinschmidts, alles hat seinen Sinn und lebt von der Abwechslung auf kleinem Raum. Zur Förderung der heimischen Artenvielfalt gehören auch die Ackerbohnen, die die Kleinschmidts als proteinhaltiges Futtermittel anbauen und so kein Soja aus den USA importieren müssen. Die Landwirtschaft der Kleinschmidts folgt einem natürlichen Kreislauf, der durch Einschnitte wie den Ausbau der Autobahn nur schwer oder vielleicht gar nicht aufrecht erhalten werden kann.

Ackerbohnen statt Soja - auch das Futter für die Tiere wird selbst angebaut und unterstützt dadurch die natürliche Fruchtfolge (Foto: Gudrun Kleinschmidt)

Ist der Ausbau der A4 ein nicht vermeidbarer Eingriff?

Leider stehen Ackerflächen im Sinne der Eingriffsregelung nach Bundesnaturschutzgesetz nicht an erster Stelle. Die Eingriffsregelung soll negative Folgen von Eingriffen in Natur und Landschaft vermeiden und minimieren. Nicht vermeidbare Eingriffe sollen durch Maßnahmen des Naturschutzes ausgeglichen werden. Für den Bund und die Autobahn GmbH ist der Ausbau der A4 durch die Festsetzung im Verkehrswegeplan 2030 ein solcher nicht vermeidbarer Eingriff. Die Ackerfläche (oder ein Teil davon) muss weichen, aber es müssen Ausgleichsflächen zur Verfügung gestellt werden. Im konkreten Fall der Kleinschmidts bedeutet das: Ackerflächen in unmittelbarer Nähe. Wie das mit Blick auf die geplanten Baumaßnahmen stattfinden soll, ist noch nicht klar. Bislang ist weder die Stadt, noch der Bund oder die Autobahn GmbH an die Kleinschmidts herangetreten (Stand: Juli 2021). Ob zum Beispiel das anliegende Feld eines Landwirt-Kollegens aus Flittard dafür ausgesucht wird (am Poller Weg), kann bislang nur gemutmaßt werden. Sicher ist, dass auch für die Ausgleichsfelder ein Ausgleich für den entsprechenden Landwirt geschaffen werden muss.

Auch bleibt unklar, ob die Felder am Rhein in Mitleidenschaft gezogen werden. Durch den Ausbau und die mögliche Achsenverschiebung der Autobahn nach Norden (also Richtung Innenstadt) müssen Zufahrtswege für Baustellenfahrzeuge und Lagerungsmöglichkeiten geschaffen werden. Neben der Abholzung der Waldfläche rund um die Brücke bedeutet die Baustelle aber auch für Mensch und Natur eine starke Belastung, deren Auswirkungen wir bislang nur erahnen können.

Inwieweit die Felder am Rhein erhalten bleiben können, ist bislang noch unklar (Foto: Gudrun Kleinschmidt)

Der Bauernhof der Familie Kleinschmidt lässt sich so schnell nicht klein kriegen. Er hat bereits einen Tornado (1898) und einen schweren Brand (2002) überlebt. Gemeinsam wollen wir dafür Sorge tragen, dass die neuen Pläne des Bundes nicht zum Aus für den Familienbetrieb führen.

Autor*in des Beitrags: L.F.

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