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Ein Spaziergang zur Veranschaulichung des Autobahnausbaus

Das ehemalige Fischerdorf Poll ist vielen Kölnern wohl hauptsächlich durch die Poller Wiesen bekannt, denn hier kann man wunderbar am Rhein spazieren gehen. Das am Rheinufer gelegene Veedel grenzt an drei Naherholungsgebiete, die einladen, die Schäl Sick einmal ganz anders kennen zu lernen – die Poller Wiesen, das Gremberger Wäldchen und die Westhovener Aue. Wir haben einen Rundwanderweg erstellt, der zu einem ca. zweieinhalbstündigen Spaziergang einlädt. Unterwegs wollen wir Euch zeigen, welche Auswirkungen der geplante Ausbau der A4, inklusive dem Abriss und Neubau der Rodenkirchener Brücke auf Poll und die Naturlandschaft haben wird. Wir beginnen und enden die Tour an der Rodenkirchener Brücke, Einkehrmöglichkeiten zum Ausklingen sind vorhanden.

Tipp: Festes Schuhwerk anziehen. Wir bewegen uns zwar auf ausgewiesenen Wegen, diese führen uns aber teilweise auch durch Wald und Wiese. 

Wir sind auch bei Komoot! Ihr findet unsere Tour auch dort unter dem Namen Rundweg A4minus. Dort könnt Ihr die Tour auch aktiv mitgestalten und liken.

Feldwirtschaft am Rheinufer in Köln

Wir beginnen unseren Rundweg entlang der A4 mitten in der Poller Rheinaue am Weidenweg unmittelbar an der Rodenkirchener Brücke. Das Brückengutachten der Autobahn GmbH des Bundes fordert einen Abriss der unter Denkmalschutz stehende Brücke, eines der Wahrzeichen Kölns. 

Erst 1994 wurde die Brücke auf 4 Spuren erweitert. Laut Gutachten sei vor allem die aufkommende Verkehrslast ein Problem für die Brücke, denn rein theoretisch bietet sie auch jetzt schon Platz für 6 Fahrspuren. Aktuell (Stand 2022) finden Korrosionsschutzarbeiten an der Brücke statt, diese werden vermutlich 3 Jahre andauern. Die Planungen rund um das A4Plus-Projekt werden gänzlich ohne eine mögliche Einbindung von öffentlichem Nahverkehr geführt. Der Autobahnausbau ist Sache des Bundes, der innerstädtische ÖPNV aber Sache der Stadt Köln, die dazu bislang noch nicht Stellung bezogen hat.

Wir starten unseren Spaziergang in den Westhover Weg. Nach ein paar Metern eröffnet sich uns ein wunderschöner Feldblick. Das Feld am Westhover Weg wird von einem der letzten rechtsrheinischen Bauernbetriebe bewirtschaftet – der Familie Kleinschmidt. Der Ausbau der A4 und der Abriss und Neubau der Rodenkirchener Brücke würden für die Landwirte enorme negative Auswirkungen mit sich bringen. Das Flurstück wurde bereits während des Ausbaus 1994 sehr stark in Mitleidenschaft gezogen, denn es diente als Park- und Lagerplatz für die Baustellenfahrzeuge. Dadurch sind tiefe Narben im Boden entstanden, die die Beackerung auch heute noch erschweren. Das A4Plus-Projekt wird das Feld sehr wahrscheinlich komplett zerstören.

Wer mehr über den letzten Bauern von Poll und die Auswirkungen des Ausbaus auf seine Existenz erfahren möchte, sollte unser Portrait über die Familie Kleinschmidt lesen.

Der Autobahnausbau zerstört Erholungsgebiete und Grundbesitz

Hinter dem Feld biegen wir links ab und folgen dem Westhover Weg noch ein kleines Stück, bevor wir rechts auf das Gelände des KGV Köln-Poll abbiegen. Der Verein verfügt über insgesamt vier Anlagen in Poll, die größte befindet sich hier neben der Autobahn A4. Besonders stolz sind die Mitglieder des Vereins auf den gut funktionierenden Generationsumbruch innerhalb der Gruppe. Das ist nicht nur beim Gartenalltag festzustellen, sondern auch bei gemeinschaftlichen Aktivitäten. Neben dem Anbau von biologischem Obst und Gemüse bietet der Kleingartenverein nämlich auch vielfältige Möglichkeiten soziale Kontakte zu pflegen. Und das gelingt hier generationsübergreifend gut! Viele Gärtner:innen nutzen ihre Parzellen auch, um Gemüse anzubauen. Wer im Frühjahr und Sommer durch die Anlage spaziert, wird überwältigt sein von der bunten Vielfalt an Pflanzen und Insekten, die auf so kleinem Raum vertreten ist. Der Ausbau einer weiteren Fahrspur auf der Nordseite der Autobahn und eine dafür notwendige Aufschüttung werden einen großen Teil der Anlage zerstören, wenn nicht sogar ihr Aus bedeuten.

Hinter dem KGV biegen wir rechts ab in die Straße „In der Gracht.“ Die Anwohner hier sind unmittelbar betroffen, egal, wie die Variantenauswahl ausfällt. Für den Neubau der Brücke gibt es drei Optionen:

  1. Keine Trassenverschiebung und „gleichmäßige“ Erweiterung, d.h. eine Spur auf der Nord- und eine Spur auf der Südseite der Bahn.
  2. Eine Trassenverschiebung und die Ausweitung der Fahrspuren entweder nach Norden oder Süden
  3. Ausbau in sogenannter „Schräglage“, also einer angepassten Brückenführung (im Winkel) über den Rhein und „flexibler“ Trassengestaltung

Recht schnell wird klar, dass die Anwohner wohl in Zukunft auf ihren Garten verzichten können, erste Anfragen der Autobahn GmbH zur Nutzung der Flächen für Baustellenfahrzeuge sind schon eingegangen.

Wir verlassen die Gracht und queren über den Poller Damm Richtung Siegburger Straße, wo wir die Anschlussstelle Köln-Poll etwas näher betrachten wollen. Neben der Rodenkirchener Brücke ist die AS Köln-Poll ein wichtiger „Zwangspunkt“, da die Anschlussstelle unbedingt aufrechterhalten werden soll. Im Straßenbau spricht man von Zwangspunkten, wenn es Punkte gibt, nach denen sich der Verlauf einer Trasse ausrichten muss. Da die Abfahrtsrampe (also die Ausfahrt Poll aus Richtung Kreuz-Gremberg kommend) zu eng wird, wenn man die Autobahn nach Option 1 oder 2 erweitert, muss die Anschlussstelle gegebenenfalls komplett umgestaltet werden. Dies würde bedeuten, dass die Ausfahrten vor die Siegburger Straße gelegt werden – also in die Straße „Im Wasserfeld.“

Das Projekt A4Plus zerstört unsere Wälder in Köln

Wir bleiben im Wasserfeld und folgen der Straße eine ganze Weile (Obacht am Bahnübergang der Linie 7) bis wir auf den Poller Holzweg stoßen. Hier sehen wir schon das Gremberger Wäldchen, durch das uns der nächste Abschnitt unseres Rundweges führt.

Das Gremberger Wäldchen zählt zum rechtsrheinischen Grüngürtel und ist ein beliebtes Naherholungsgebiet. Schon vor dem Eintritt in den eigentlichen Wald, begibt man sich durch ein wahres Naturparadies. Der Wald ist nicht nur Heimat für eine Vielzahl an Waldtieren wie dem Mauswiesel und dem stark gefährdeten Gartenschläfer, sondern auch wichtig für die Luft- und Lebensqualität Kölns, denn durch ihn werden Abgase und Lärm immens gefiltert.

Durch den Ausbau der A4 geht ein Teil des Gremberger Wäldchens verloren, da die Arbeiten an einer weiteren Fahrbahnspur sowie die dazu notwendigen Aufschüttungen nicht ohne Beschädigung des direkt angrenzenden Waldstückes vonstatttengehen können.

Wir folgen dem Poller Holzweg und begeben uns in den Wald. Bei erster Möglichkeit halten wir uns rechts, um durch das womöglich betroffene Waldstück zu spazieren. Wer weiß, wie lange das noch möglich ist. Das Gremberger Wäldchen beheimatet unter anderem den nachweislich ältesten Baum Kölns – eine Rotbuche aus dem frühen 18. Jahrhundert. Außerdem findet man hier Eichen, Birken und die Wildkirsche. Dass es im Gremberger Wäldchen manchmal etwas durcheinander aussieht, ist Absicht und deutet in keiner Weise auf einen schlechten Zustand des Waldes hin. Ganz im Gegenteil! Der Wald ist naturbelassen und das bedeutet zum Beispiel, das umgefallene Bäume nicht abgetragen, sondern zum Verrotten liegen gelassen werden. So kann sich der Wald immer wieder selbst erneuern und ist ein vollkommen intaktes Ökosystem.

Der Baumbestand bietet auch eine Heimat für eine vielfältige Vogelwelt, unter anderem sind hier das Goldhähnchen und die Weidenmeise zu Hause. Wenn man ganz genau hinhört, kann man auch Eichelhäher, Kohlmeisen, Kleiber, Hohltauben, Mittelspechte, Waldeulen und Waldkäuze singen hören.

Wir verlassen das Gremberger Wäldchen über den Gremberger Ring/Porzer Ringstraße über die Autobahnbrücke und kreuzen etwas später den Rangierbahnhof Gremberg. Wir folgen dem Weg bis wir rechts gegenüber dem Feld wieder in ein kleines Waldstück abbiegen. Wir stoßen auf bewirtschaftete Felder. Rechts von uns liegt der Kleingärtnerverein Porzer Ring, eine weitere grüne Oase mitten im Herzen von Köln. Auf bis zu 350m² werden hier ca. 100 Gärten bewirtschaftet. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Pächter der Kleingärten verpflichten sich mindestens 25m² ihres Gartens als Nutzfläche dauerhaft mit Obst und Gemüse zu bepflanzen. Der ökologische Gartenbau ist neben dem Gemeinschaftsleben und Naherholungsaspekt das A und O des Vereins. Je nach Variantenauswahl wird auch der Kleingartenverein Porzer Ring gegen den Ausbau verlieren oder in Zukunft direkt auf eine Schallschutzmauer blicken.

Wir biegen links ab, Feld rechts, Wald links. Es ist offensichtlich, dass auch an dieser Stelle die Natur unter dem Ausbau leiden wird. Sobald wir auf die Bahngleise der Linie 7 stoßen, biegen wir links ab, bis wir rechtsab wieder auf die Porzer Ringstraße kommen. Wir passieren die Kölner Straße und begeben uns in die Westhovener Aue.

Die Westhovener Aue wird stark leiden

Die Westhovener Aue ist ein beliebtes Naherholungsgebiet und gehört offiziell bereits zum Kölner Stadtteil Westhoven und grenzt im Nord-Westen an die A4. Bereits in den 1980er Jahren entschied sich die Stadt Köln gegen eine Bebauung und für den Erhalt der Aue als Retentionsgebiet. Heute (maßgeblich nach dem Hochwasser der Jahre 1993 und 1995) gehört die Aue fest zum Hochwasserschutzkonzept und wird bei einem Rheinpegel ab ca. 9 m überflutet. Das ehemalige Kasernengelände wurde in den Jahren 2004-2005 aufwändig und nachhaltig renaturiert und entsiegelt. Die Westhovener Aue beheimatet unter anderem viele Wasservögel, Fische und den Rotfuchs. In der von der Autobahn GmbH durchgeführten Umweltstudie wird die Westhovener Aue zum größten Teil ignoriert, der Bemessungsraum endet in südlicher Richtung auf Höhe des Cologne Sportspark.

Wir biegen rechts ab auf den Poller Weg. Vor dem Sportspark biegen wir links in den kleinen gepflasterten Weg ab und folgen diesem, quasi unmittelbar entlang der südlichen AS Köln-Poll.

Ein paar Fakten zum Projekt A4Plus der Autobahn GmbH: Baubeginn soll laut Planungsvorgaben der Autobahn GmbH schon 2030 sein. Die Bauzeit wird sicherlich 10 und mehr Jahre in Anspruch nehmen. Der Planungsprozess besteht aus insgesamt 4 Phasen:

  1. Phase: Vorplanung

Es erfolgt eine Grundlagenermittlung durch verschiedene Untersuchungen und Gutachten sowie eine Verkehrsuntersuchung und eine Umweltverträglichkeitsstudie. Ebenfalls werden Variantenentwürfe der möglichen Trassenführung erstellt (Dauer ca. 3 Jahre)

  1. Phase: Entwurfsplanung

Diese dient zur verwaltungsinternen und fachtechnischen Prüfung. Sie legt den Kostenrahmen fest und ist Grundlage für die Veranschlagung im Haushalt. Außerdem erfolgt der Nachweis der Flächeninanspruchnahme. Der genehmigte Vorentwurf ist die Grundlage für das Planfeststellungsverfahren.

  1. Phase: Genehmigungsplanung und Planfeststellung

Der Vorentwurf wird bearbeitet und fertiggestellt. Für alle im Planfeststellungsverfahren Beteiligten muss Art und Umfang der Betroffenheit erkennbar sein.

  1. Phase: Ausführungsplanung und Bau

Aufgabe im Rahmen der Ausführungsplanung ist es, die Unterlagen so zu verfeinern, dass nach ihnen die Verkehrsanlage gebaut werden kann. Die Auflagen und Regelungen aus dem Planfeststellungsbeschluss sind dabei in die Planung einzuarbeiten. Steht die Ausführungsplanung, sind die Grundlagen für die Ausschreibung und Vergabe der Bauleistungen gegeben.

Bei nächster Gelegenheit biegen wir rechts ab und betreten das Gelände des KGV Westhovener Aue. Hier werden bereits seit 1982 Kleingärten angelegt. Vor allem Familien mit Kindern sollen hier die Möglichkeit haben, Gärten bewirtschaften zu können. Auf insgesamt 40.000 qm verteilen sich insgesamt 122 Gärten. Auch hier wird der Gemeinschaftssinn groß geschrieben und beschert den Mitgliedern schöne Stunden. Auch der Kleingartenverein wird vom Ausbau betroffen sein. Sollte er nicht zerstört werden, wird der Erholungsfaktor an einer Großbaustelle gen null sinken und die Anlage unmittelbar an die Autobahn grenzen. Das kleine Waldstück, das Lärm und Abgase heute noch filtert, wird dann nicht mehr existieren.

Pollers Kleinode stehen vor dem Aus

Wir verlassen das Gelände und biegen links ab in die Straße (In der Westhovener Aue). Nach ein paar Metern biegen wir rechts ab und folgen dem kleinen Weg auf die Hundewiese (links halten). Wir stoßen auf den Weidenweg, auf dem wir rechts abbiegen und am Wiesenhaus vorbeikommen. Das Wiesenhaus ist bereits seit den 1920er Jahren nicht mehr wegzudenken aus Köln. Seit en 60er Jahren gibt es hier auch einen Campingplatz für Dauercamper und Tiny Häuser für Lang- und Kurzzeitbesucher. Das dazugehörige Café ist offen für alle und auf jeden Fall einen Besuch wert. Alle Gerichte, die hier serviert werden, sind mit viel Liebe selbstgemacht. Aktuell ist noch unklar, inwieweit das Wiesenhaus vom Ausbau betroffen ist, es ist allerdings zu vermuten, dass die Autobahn GmbH das Gelände im Rahmen der Baustelle nutzen werden will. Nutzt also die Chance, den schönen Ausblick bei einem kleinen Snack und einem leckeren Getränk zu genießen, so lange es noch möglich ist.

Wandern wir noch das letzte Stück und folgen dem Weidenweg Richtung Rodenkirchener Brücke. Wir durchqueren die Unterführung bis rechts von uns das Poller Fischerhaus und links von uns der Campingplatz der Stadt Köln liegt. Das Restaurant Poller Fischerhaus verfügt über insgesamt 170 Plätze mit einem idyllischen Biergarten, in dem es sich auch an heißen Tagen wunderbar aushalten lässt. Seit 110 Jahren gibt es dieses Kleinod und ist nicht nur für Poller, sondern auch viele Spaziergänger und Radfahrer ein beliebte Einkehrmöglichkeit. Der Ausbau der A4 würde das Ende dieses Traditionslokals bedeuten und Poll um ein schönes Ausflugsziel ärmer machen. 

Verschwinden würde wohl auch der Campingplatz der Stadt Köln, der direkt gegenüber des Fischerhauses liegt, da er sowohl der Erweiterung der Fahrspuren als auch der Baustelle weichen müsste. Aktuell gibt es hier 140 Stellplätze mit einem einzigartigen Blick auf Köln, den ab 2030 vielleicht niemand mehr genießen kann.

Autor*in des Beitrags: L.F.

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